Griechenland: Generalstreik am 23. Februar – Die Massen fordern eine Verschärfung des Kampfes

Der Generalstreik vom 23. Februar, der von den Gewerkschaften GSEE und ADEDY ausgerufen worden war, war ein weiterer großer Mobilisierungserfolg für die ArbeiterInnenklasse. Eine Analyse der Redaktion von "Marxistiki Foni".

Dieser Generalstreik zeigte (wie man auch am 15. Dezember sehen konnte), dass sich die ArbeiterInnenbewegung nach einer kurzen Pause, die auf das Scheitern des Widerstandes gegen die Sparmaßnahmen der sozialdemokratischen PASOK- Regierung zurückzuführen war, schnell wieder erholen konnte. Auch die Auswirkungen der arabischen Revolution waren offenkundig.

Die Beteiligung und die Stimmung beim Streik

In den großen Betrieben wurde der Streikaufruf fast komplett befolgt. In den Raffinerien, den Werften, im Transportwesen, dem Schiffsverkehr, bei Häfen, im Stahl-, Bau-, Banken-, Elektrizitäts- und Telekommunikationssektor sowie der Post und der Athener Wasserversorgung lag die Beteiligung bei fast 100%. Schulen blieben geschlossen, der öffentliche Verkehr wurde „ausgebremst“, keine Fähre fuhr und mehr als hundert Flüge wurden gestrichen. Banken arbeiteten nur sehr eingeschränkt und während des Streikes wurden keine Nachrichten ausgestrahlt, weil die JournalistInnen ebenfalls teilnahmen. Die KrankenhausärztInnen und SanitäterInnen streikten ebenfalls. Auch bemerkenswert bei der Mobilisierung am Mittwoch war der Umstand, dass die Vereinigung der Geschäftsbesitzer viele ihrer Geschäfte im Land schloss und damit einem Aufruf der Griechischen Nationalen Handelsvereinigung (ESEE) folgte.

Während des Generalstreiks fanden Massendemonstrationen in Athen und Thessaloniki sowie in mehr als 60 weiteren Städten statt. Die TeilnehmerInnenzahl lag in Athen laut Schätzungen der Gewerkschaften bei mehr als 70.000 auf den beiden Demonstrationen (von der GSEE, dem größten Gewerkschaftsverband, und der PAME, der kommunistischen Partei KKE nahestehende Gewerkschaft), wobei mehr als doppelt so viele Menschen auf der von der GSEE organisierten Kundgebung waren. „Reuters“ meldete aus Athen sogar mehr als 100.000 DemonstrantInnen.

Gleichzeitig muss jedoch festgehalten werden, dass wieder einmal die Mehrheit der ArbeiterInnen, die an der GSEE-Demonstration teilnahmen, sich vor allem um die Gewerkschaften scharten, die linken Parteien wie SYRIZA, ANTARSYA oder der breiteren Linken nahe stehen. Somit war die Gewerkschaftsbürokratie der PASKE (der sozialistischen Fraktion) wieder einmal ziemlich isoliert vom Hauptteil der Demonstration und wurde nur mit einem kleinen Kern von Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes belassen.

Die Stimmung auf den Demonstrationen in Athen war sogar noch kämpferischer als während der vorangegangenen Generalstreiks und in Diskussionen mit den Protestierenden konnte man feststellen, dass es weniger Verwirrung darüber gab, was die Regierung für eine Rolle spielt, mehr Entschlossenheit, mehr Einsicht, dass der Kampf verschärft werden muss und mehr Mißtrauen gegenüber der Gewerkschaftsbürokratie. Unter den großen Blocks der Jugendorganisationen war der Einfluss der dramatischen Ereignisse der arabischen Revolution offensichtlich.

Einige der Parolen, die den Tag bestimmten, waren: „Die Menschen sind wütend, Rebellionen überall, um Regierung, EU und IWF loszuwerden!“; „Lügner – Lügner!“; „Das Volk will euch nicht, nehmt euren IWF und geht!“; „Alle vereint werden wir Regierung und IWF rausschmeißen!“; „Revolution wird die Lösung sein, die Regierung wird gezwungen werden im hellsten Tageslicht zu fliehen“; „Solidarität ist die Waffe des Volkes, nieder mit der EU-Junta und dem IWF!“

Staatsrepression und der Aufruf, am Syntagma-Platz zu bleiben

Wieder einmal, wie auch schon in den letzten Monaten, zeigte die Polizei die klare Absicht, die Demonstration zu zerstreuen, indem sie zuerst Provokateure und dann massiven Tränengas und andere Chemikalien einsetzte. Auf der anderen Seite zeigte eine große Zahl von Protestierenden, Jungen, ArbeiterInnen und sogar älteren Menschen, die keinerlei Verbindung zu den Anarchisten haben, ihre Desillusionierung und Wut gegenüber der Regierung dadurch, dass sie die Polizei angriffen. Das zeigt deutlich den Wandel, der im Bewusstsein der Massen einsetzt.

Das klare Ziel der weit verbreiteten Repressionen am Mittwoch, die in der Verhaftung von 26 DemonstrantInnen mündeten, war es, die Bewegung wieder einmal einzuschüchtern und gleichzeitig den Marsch schnell aufzulösen. Das Ziel war es auch die Pläne verschiedener linker Gruppen zu durchkreuzen, welche die Protestierenden dazu aufgerufen hatten, auf dem zentralen Platz in Athen zu bleiben, nachdem der Marsch endete.

Dazu muss gesagt werden, dass es keinerlei Koordination zwischen den verschiedenen linken Parteien und Gruppierungen gab. So blieb auch nur ein kleiner Teil der DemonstrantInnen auch wirklich auf dem Syntagmaplatz. Zusätzlich zum Mangel an Koordination und der Polizeigewalt kam auch noch, dass der Aufruf selbst nicht im Bewusstsein der Demonstrierenden haften blieb, weil er keine praktische und konkrete Perspektive für den Kampf der Massen darstellte. Es ist eine Sache, wenn die Massen durch den Lauf der Bewegung auf den Straßen bleiben und anfangen, die Bewegung auf einer höheren Ebene mit entscheidender Mitwirkung der Linken zu organisieren, es ist aber eine ganz andere Sache, zu versuchen diese Stimmung künstlich bei den Massen zu erzeugen, indem ein kleiner Teil der Linken emotionale Aufrufe verfasst, die aber nicht die wichtigste Frage beantworten: Was ist als Nächstes zu tun?

Der Aufruf vom letzten Mittwoch hätte eine wirkliche Bedeutung haben können und die Massen dazu bewegen können, auf dem Syntagma-Platz zu bleiben, wenn:
a) die kommunistische KKE, SYRIZA und andere Kräfte auf der Linken sich koordiniert hätten, um die Demonstration gegen Spitzel und Polizeigewalt zu schützen;
b) wenn es einen praktischen Anlass gegeben hätte, auf dem Syntagma-Platz zu bleiben, z.B. gut organisierte Aktivitäten wie etwa ein längeres Konzert und am wichtigsten
c) wenn all dies auf der Basis zur Verteidigung und Durchsetzung eines Planes zur unmittelbaren Verschärfung des Kampfes stattgefunden hätte, mit konkreten Vorschlägen dazu, wie diese Bewegung zentral, aber auch in den Betrieben und Wohnvierteln organisiert werden könnte.

Was muss jetzt getan werden?

Die massive Beteiligung und kämpferische Stimmung vom Streik am letzten Mittwoch zeigt eindeutig, dass die ArbeiterInnenklasse und die Jugend gewillt ist, den Kampf auf eine höhere Ebene zu heben. Die Regierung und die Bourgeoisie haben Angst vor einer sich erholenden ArbeiterInnenbewegung. Auf der anderen Seite hat die Gewerkschaftsbürokratie keine praktikable Ausrede mehr dafür, den Kampf nicht auszuweiten. Die objektive Basis ist dafür vorhanden, die bisher vereinzelten und begrenzten Streiks ab sofort durch ein Programm des koordinierten Kampfes zu ersetzen, welcher durch die aktive Beteiligung der ArbeiterInnen in den Betrieben und Wohnvierteln ausgeweitet werden sollte. Die ArbeiterInnen haben bewiesen, dass sie kämpfen wollen.

Deswegen sollten folgende Schritte getätigt werden: Als Erstes sollten in jedem Betrieb Versammlungen organisiert werden, in denen die ArbeiterInnen über die Ergebnisse und die Erfahrungen des Streiks am Mittwoch diskutieren und gleichzeitig entscheiden sollten, wie der Kampf gegen die Pläne der Bosse ausgeweitet werden könnte. Weiters sollten all die Gruppen von ArbeiterInnen, die von der Regierung schon seit einiger Zeit direkt angegriffen werden, wie etwa die Beschäftigten im öffentlichen Verkehr, die Staatsbediensteten und diejenigen, die in Betrieben beschäftigt sind, wo es zu Entlassungen oder Lohnkürzungen kommt, ihre Proteste und Demonstrationen koordinieren, um sie effektiver werden zu lassen.

Auf Basis der Beschlüsse, die solche Betriebsversammlungen fassen würden, sollte die Forderung erhoben werden, dass die Gewerkschaftsführung einen Plan zur Ausweitung der Streikbewegung ausarbeitet. Sie sollte in den Fabriken und Betrieben kampagnisieren, um noch im März einen gut organisierten 48-stündigen Generalstreik vorzubereiten. Die Forderungen dieses Streiks sollten die Abschaffung aller Gesetze gegen die organisierte ArbeiterInnenbewegung beinhalten, die in den letzten Jahren eingeführt wurden, außerdem die Weigerung, die Staatsschulden zurückzuzahlen, ein Verbot von Entlassungen sowie die Einführung der 35-Stunden-Woche, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Zusätzlich sollte für eine Erhöhung der Löhne und Pensionen auf ein akzeptables Maß, die Absage an jegliche Privatisierungspläne und letztendlich für die Verstaatlichung der Banken und der Großbetriebe unter ArbeiterInnenkontrolle gekämpft werden.

Zum Abschluss dürfen wir nicht vergessen, dass auch der erfolgreichste Generalstreik das Problem nur aufzeigt, es aber nicht löst. Es reicht nicht, nur zum Sturz dieser Regierung aufzurufen. Im Gegenteil, es ist notwendig, die Art von Regierung vorzuschlagen, die sie direkt ersetzen wird. Deswegen ist es die Hauptaufgabe der Linken in Griechenland, gemeinsame Aktionen ihrer Hauptparteien KKE und SYRIZA, zusammen mit linken Dissidenten in der PASKE und der PASOK und anderen Kräften auf der Linken (wie etwa ANTARSYA) in den Betrieben und Vierteln zu organisieren, um sich besser gegen diese Angriffe schützen zu können und der Bewegung gleichzeitig eine konkrete Perspektive zu geben: Die Wahl einer linken Regierung, die ein sozialistisches Programm durchsetzt.

Athen, 24.02.2011

Übersetzung: Der Funke (Austria)