Die Krise des Kapitalismus und die Aufgaben der MarxistInnen – Teil 3

Im letzten Teil dieses Artikels beleuchtet Alan Woods die Bedeutung der Iranischen Revolution und den Einfluss, den sie auf den gesamten Nahen Osten und darüber hinaus haben wird.

Internationale Beziehungen

GenossInnen, die gesamte Weltlage gleicht einem unerforschtem Gewässer. Die USA wollen jetzt aus dem Irak abziehen. Obama präsentiert sich als ein „Mann des Friedens“, also möchte er seine Truppen aus dem Irak abziehen und nach Afghanistan senden. Wenn ich ein US-amerikanischer Soldat in Bagdad wäre, würde ich es bevorzugen, dort zu bleiben, wo ich bin! Sie können den Krieg in Afghanistan nicht gewinnen und gleichzeitig destabilisieren sie auch noch das Nachbarland Pakistan.

Wir hatten eine Diskussion über Honduras und es ist ziemlich klar, dass die herrschende Klasse in den USA in außenpolitischen Fragen gespalten ist. Es ist klar, dass die CIA in den Putsch in Honduras involviert war. Doch das passte Obama nicht. Er will eine andere Außenpolitik, eine „intelligentere“ Außenpolitik im Vergleich zu der seines Vorgängers verfolgen. George Bush war ein besonders dummer Repräsentant des US-Kapitalismus. Ich glaube nicht, dass er jemals ein Buch gelesen hat, vielleicht mit Ausnahme der Bibel, wobei ich auch hier nicht glaube, dass er über das erste Kapitel der Genesis hinausgekommen ist. Wenn man neben George Bush steht und sein Ohr untersucht, kann man wahrscheinlich das Tageslicht, das von der anderen Seite hindurch scheint, sehen! Er repräsentiert den dümmsten, reaktionärsten Teil der herrschenden Klasse der USA, die texanische Mafia. Und die ist immer noch sehr einflussreich.

Bush wollte Nuklearraketen in der Tschechischen Republik und in Polen stationieren, worüber Russland nicht erfreut war. Aus irgendeinem Grund dachten sie, dass die Raketen gegen sie gerichtet wären! George Bush sagte, dass dem nicht so sei und sie sich keine Sorgen machen sollten, sie wären gegen den Iran gerichtet. Man stellt also in Polen Raketen gegen den Iran auf! Das war verrückt, und es darf uns nicht wundern, dass Russland darüber nicht begeistert war. Sie befanden, dass es nun genug wäre und machten ihren Standpunkt auch sehr eindeutig klar, indem sie in Georgien einmarschierten. Auf diese Art und Weise sagten sie den USA: „Bis hierher und nicht weiter“.

Obama traf seither den russischen Präsidenten Medwedew und brachte sein Zahnpastalächeln mit. Natürlich verhandelte er überhaupt nicht mit Medwedew, sondern mit Putin. Medwedew ist nicht viel mehr als eine Marionette Putins. Obamas Lächeln war jedenfalls zu wenig, um auch nur den leisesten Erfolg zu bringen. Putin kümmerte sich nicht um das Lächeln des US-Präsidenten und forderte den Abzug der Raketen. Und das werden die USA tun müssen. Das zeigt die Grenzen der Macht des US-Imperialismus.

Die Lage im Nahen Osten zeigt wohl am deutlichsten die Idiotie der Politik Bushs. Erfolg hatten die USA einzig darin, den gesamten Nahen Osten zu destabilisieren. All die prowestlichen Regimes dort hängen an einem seidenen Faden – Saudi-Arabien, Ägypten, der Libanon, Jordanien, Marokko. Die herrschenden Eliten in diesen Ländern wurden von den Demonstrationen, die während des Gazakriegs zu sehen waren, schwer erschüttert.

Im Jänner schrieb ich einen Artikel über den Gazakrieg. Das war vor der Wahl Obamas. Ich kündigte in diesem Artikel an, dass Obama nach seiner Wahl sofort mit Syrien und dem Iran Verhandlungen anstreben und durchführen würde, um aus dem Irak abzuziehen. Genau das ist passiert. Wie ich erklärte, war Teil der Motivation für die Invasion im Gazastreifens, dass die Israelis Obama folgende Botschaft mit auf den Weg geben wollten „Vergiss nicht, dass wir hier sind. Glaub nicht, dass du hinter unserem Rücken handeln kannst“. Israel hat natürlich Angst, dass der Iran und Syrien im Austausch für die Zusammenarbeit gewisse Dinge einfordern würden. „Ohne unsere Erlaubnis kannst du im Nahen Osten gar nichts machen“. Und so ist es.

Obama würde gern mit den PalästinenserInnen verhandeln, für seine Freunde im Nahen Osten wäre das sehr hilfreich und für ihn selbst auch. Doch der israelische Imperialismus hat seine eigenen Interessen und ist zu Verhandlungen nicht bereit. Netanjahu sagt: „Wir akzeptieren Verhandlungen“, doch er setzt Bedingungen, die die PalästinenserInnen nie akzeptieren können. Sie sollten de facto entwaffnet werden und unter israelische Kontrolle gestellt werden.

Was für eine Art von Staat ist das? Was für eine Unabhängigkeit ist das? Es erinnert mich an den berühmten Satz von Marlon Brando im Film „Der Pate“: „Ich machte ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte.“ Nur dass es hier genau umgekehrt ist. Netanjahu sagt: „Ich machte ihm ein Angebot, dass er nicht annehmen konnte.“ Sie sind Mafiosi, jeder von ihnen. Doch so ist die bürgerliche Diplomatie. Und ich wiederhole, was wir schon oft gesagt haben: es kann im Rahmen des Kapitalismus keine Lösung für die PalästinenserInnenfrage geben.

Iran

Was sich im Iran ereignete, überraschte die meisten Leute. Es schien wie ein Blitz aus heiterem Himmel zu passieren. Doch plötzliche und scharfe Veränderungen dieser Art sind der aktuellen Situation inhärent. Tatsächlich wurden die Ereignisse von unserer Internationale vorhergesehen, schon vor zehn Jahren, zur Zeit der ersten StudentInnenbewegung.

Zu dieser Zeit schrieb ich einen Artikel mit dem Titel „Die ersten Schüsse der Iranischen Revolution“. Und jetzt erleben wir das zweite Kapitel. GenossInnen, welch wunderbarer Moment ist das! Es war eine Inspiration. Nach dreißig Jahren der wüstesten und brutalsten Diktatur eines monströsen Regimes auf Grundlage von extremer Reaktion und religiösem Fanatismus, das extreme Unterdrückung, Mord, Folter usw. anwendet, sehen wir den explosiven Auftritt der Massen auf der Bühne der Geschichte.

Das ist die endgültige Antwort an all die SkeptikerInnen und ZynikerInnen, die Ex- MarxistInnen und Ex-KommunistInnen und all die anderen, die die Möglichkeit revolutionärer Bewegungen in der gegenwärtigen Epoche in Frage stellten. Trotz all der fürchterlichen Repression war eine Million Menschen auf den Straßen Teherans, vielleicht auch zwei. Es war ein überwältigender revolutionärer Moment. Und die sogenannten Linken, sogenannten MarxistInnen wie James Petras machen nur einen kleinen Fehler: Sie können den Unterschied zwischen Revolution und Konterrevolution nicht erkennen.

Lenin erklärte die vier Bedingungen für eine Revolution. Wir erwähnten sie bereits, aber wir werden sie nochmals benennen. Die erste Bedingung ist eine Spaltung an der Spitze, eine Spaltung in der herrschenden Klasse. Die herrschende Klasse kann nicht weiter mit den Methoden der Vergangenheit regieren. 30 Jahre lang hat die Bevölkerung im Iran unter dieser skrupellosen Herrschaft, die brutal bis ins Letzte ist, geschmachtet. Die Mullahs wollen kontrollieren, wie die Menschen denken, wie sie leben, was sie tun, welche Kleidung sie tragen. Der Iran ist ein sehr junges und sehr großes Land, 70% der Bevölkerung sind unter dreißig Jahre alt, sie kennen kein anderes Regime als dieses. Und nach dreißig Jahren haben die Massen genug von den Mullahs.

Ayatollah Khomeini repräsentierte das Image des Saubermannes gegenüber der abscheulichen Korruption des Schahs und seiner proimperialistischen Bande. Nebenbei, wie stinkend, ekelhaft und scheinheilig die sogenannten DemokratInnen des Westens doch sind. 1953, als es eine bürgerlich-demokratische Bewegung gab, die einzige in der Geschichte des Iran, geführt von einem Liberalen namens Mosaddeq, wollten diese imperialistischen Verbrecher die Kontrolle über die Ölvorräte des Landes. Britannien, Amerika, die CIA stürzten Mosaddeq und errichteten die brutale Diktatur des Schahs, die eine der blutigsten Diktaturen des gesamten 20. Jahrhunderts war.

Das Regime des Schahs war abstoßend korrupt. In diesem reichen Land waren die Menschen hungrig und der Schah befasste sich mit öffentlichen Spektakeln des obszönsten Luxus’. Der Schah verfügte über einen riesigen Repressionsapparat, eine der größten Armeen der Welt, die Geheimpolizei Savak hatte Kontrolle über jeden Aspekt des Lebens und war sehr effizient, wie die Gestapo. Sie hatten Gepflogenheiten wie Menschen mit einem Heizstrahler zu Tode zu rösten. Das war das Regime, das von Britannien und Amerika ins Leben gerufen und bis zuletzt unterstützt worden war.

Das endete 1979 in einer Revolution, in der die iranischen ArbeiterInnen eine Schlüsselrolle spielten. Sie konfrontierten den Repressionsapparat auf der Straße. Sie bewaffneten sich, weil Soldaten in Massen desertierten und ihre Waffen den Leuten überließen. Es ist nicht allgemein bekannt, dass die iranischen ArbeiterInnen Sowjets einrichteten, die Shoras. Die Macht war für die ArbeiterInnenklasse zum Greifen nahe. Leider wollte die Kommunistische Partei des Iran die Macht nicht ergreifen. Sie verhalfen dem Gangster Khomeini dazu, die Macht zu übernehmen. Und Khomeini bedankte sich, indem er die KommunistInnen illegalisierte und ins Gefängnis werfen ließ.

Der Preis, den das iranische Volk bezahlte, waren über 30 Jahre monströse fundamentalistische Diktatur. Doch jetzt steht dieses Regime am Ende. Das einzige was es aufrechterhält, ist Angst, doch diese Angst schwindet. Es gibt an der Politik auch immer eine komische Seite. Und hier kann man sie sehen; es ist recht amüsant zu beobachten, was passiert. Khamenei, der Oberste Führer, war sich so sicher, dass er einen relativ freien Wahlkampf erlaubte. Er war zuversichtlich, denn er würde die Wahlen fälschen. Die obersten Mullahs überprüften die Kandidaten und eliminierten 400 davon und da die verbliebenen 4 alle Männer des Regimes waren, sollte es kein Problem geben. So schien es jedenfalls…

Doch dann passierte etwas Seltsames. Hegel sagte, und Lenin wiederholte es oft, dass sich die Notwendigkeit nicht selten im Zufall ausdrückt. Dieser Moussavi war eine zufällige Figur; er war Teil des Regimes. Er war Premierminister während des Irakkriegs gewesen. Doch dann kamen die Fernsehdebatten, und es wurden Fragen zur Wirtschaft gestellt, die gegenwärtig im Iran von grundlegendem Belang sind, nachdem die Ölpreise gefallen sind. Es gibt also eine Menge Unzufriedenheit und viel Interesse an diesen Debatten.

Nebenbei stimmt es, dass Ahmadi-Nejad einige Reformen durchführte. Er konnte es sich leisten, weil er das Geld durch die Öleinnahmen hatte. Er gewährte Beihilfen, v.a. für die mittellose Bauernschaft in den Dörfern, so dass er über gewisse Unterstützung in diesen Bevölkerungsteilen verfügt. Doch diese Unterstützung erodiert zunehmend, die Bedingungen für die Massen werden schlechter und es gab eine Streikwelle im Iran. Daher ereignete sich während des Wahlkampfes etwas Eigenartiges. In der Vergangenheit waren die Menschen nicht an Wahlen interessiert, meist kümmerten sie sich nicht darum. Doch bei diesen Wahlen gab es in Teheran massive Kampagnen. Das bereits zeigt eine Veränderung im Bewusstsein der Massen.

Obwohl Moussavi keine wirkliche Opposition repräsentierte, wurde er von den Massen als Oppositionskandidat angesehen und daher als Gelegenheit, dem Regime einen Tritt zu verpassen. Die meisten BeobachterInnen waren überzeugt, dass Moussavi die Wahlen gewinnen würde. Es ist unmöglich zu sagen, wie das Ergebnis war, wir werden es nie wissen, doch das Regime machte einen Fehler. Ahmadi-Nejad trat sofort vor die Kameras und verkündete seinen überwältigenden Sieg. Sogar in einem fortgeschritten kapitalistischen Land braucht es gewisse Zeit, bis das Endergebnis bekannt gegeben werden kann. Der Iran ist ein sehr großes Land mit einer ziemlich primitiven Infrastruktur in den ländlichen Gebieten. Wie also konnte er so schnell diese Verkündigung machen?

Wenn er gesagt hätte „Ich habe mit einer kleinen Stimmenmehrheit gewonnen“, hätten das vielleicht einige Leute geglaubt. Doch stattdessen verkündete er einen Erdrutschsieg und das glaubten die Leute nicht. Es gab eine unmittelbare Reaktion. Die Menschen gingen auf die Straße: StudentInnen (zu Beginn waren es hauptsächlich StudentInnen), also Angehörige der Mittelschicht, und LehrerInnen – Menschen, die in der Vergangenheit das Regime unterstützt hatten. Frauen spielten eine gewaltige Rolle, nachdem sie zu den Hauptopfern des Regimes gehören.

Erinnern wir uns an die Bedingungen, die Lenin als die vier Bedingungen für eine Revolution vorgebracht hat:

1. Das Regime ist gespalten; es gibt eine Krise im Regime
2. Die Mittelklasse schwankt zwischen revolutionären Kräften und der herrschenden Klasse
3. Die ArbeiterInnenklasse ist zum Kampf bereit
4. Das Bestehen einer revolutionären Partei und Führung

Das Regime im Iran ist von oben bis unten gespalten. Das geschieht in der Geschichte immer zu Beginn einer Revolution. Es geschah in Frankreich 1789 und in Russland im Februar 1917. Wenn ein Regime in die Sackgasse gerät, zeigt sich das anhand der Herausbildung von zwei Fraktionen an der Spitze. Eine Fraktion sagt, dass von oben herab reformiert werden muss, um eine Revolution von unten zu verhindern. Und die andere Fraktion sagt dazu nein, denn wenn die Reform von oben beginnt, wird es eine Revolution von unten geben, die Dinge sollten also beim Alten belassen werden. Beide haben irgendwie recht.

Hinsichtlich Punkt 2; die Mittelklasse schwankte nicht, sondern stellte sich auf die Seite der Revolution. Es gab eine gewisse Beteiligung durch die ArbeiterInnen wie der Busfahrer von Teheran. Es wurde sogar von Generalstreik gesprochen, doch wegen des Fehlens des letzten Faktors nicht umgesetzt: Eine revolutionäre Partei und Führung.

Jedenfalls waren wir Zeugen der größten Massenbewegung seit 1979. Diese überraschte das Regime. Sie überraschte auch Moussavi. Sie überraschte Amerika. Das Argument, dass die CIA für diese Bewegung verantwortlich sei, ist eine frank und frei erfunden. Moussavi tat alles in seiner Macht Stehende, um diese Bewegung zu stoppen. Täglich wandte er sich an die Menschen und sagte: „Geht nicht auf die Straße, ihr werdet getötet werden, ich möchte euer Leben schützen“. Jeden Tag sagte er das und jeden Tag gingen mehr Menschen auf die Straße. Nicht nur StudentInnen und Angehörige der Mittelschicht.

„The Economist“ beschrieb die Leute auf diesen Demonstrationen: Es war eine Mischung aus StudentInnen, Mittelschichtsangehörigen, Frauen, einer Menge Frauen, aber auch armen Leuten aus den Armenvierteln Teherans, verschleierte Frauen und arme Leute, sogar Mullahs. Das war eine kolossale Bewegung. Die Art von Bewegung, die man am Beginn jeder wirklichen Revolution, die die Gesellschaft bis in ihre Tiefen ergreift, erwartet. Die Machthabenden versuchten es mit Repression; die Menschen wurden von den Basiji zusammengeschlagen. Sie wurden zusammengeschlagen, gefangengenommen, und einige wurden auch getötet. Doch nichts konnte sie stoppen. An einem Punkt gab es sogar Anzeichen dafür, dass es innerhalb der Polizei zu Spaltungen kommen könnte.

Diese Demonstrationen waren außerordentlich, denn niemand organisierte sie. Ich meine, wenn es jemals ein Argument für Anarchismus gab, dann dieses hier. Es war spontan, im wahrsten Sinne des Wortes. Die Jugend nutzte Handys und andere verfügbare moderne Technologien.

Das Regime versuchte das Internet und die Handykommunikation zu blockieren und immer noch wurden Wege gefunden, das zu umgehen. Wie stoppt man eine Bewegung, wenn es keine Führung gibt, wenn es niemanden gibt, den man verhaften kann? Deshalb konnte diese Bewegung nicht angehalten werden. AnarchistInnen sind darüber zweifellos entzückt. Doch wir müssen die AnarchistInnen darauf hinweisen, dass das Fehlen einer Führung, das einerseits eine Stärke war, auch den Schwachpunkt dieser Bewegung darstellte.

Letztendlich verfehlte die Bewegung ihre Ziele. Wir müssen fragen, warum. Es gab zwei fatale Schwächen in dieser Bewegung. Erstens die Schwäche der Spontaneität. Es gab keine Führung, keinen Plan, keine Strategie. Es ist unmöglich, ohne Plan die Massen von Leuten auf der Straße zu halten. Schließlich wird die Bewegung abflauen, wie Dampf in die Luft entweicht, wenn er nicht in einem Zylinderkolben verdichtet wird.

Außerdem gab es keine Teilnahme der ArbeiterInnenklasse als organisierter Kraft. Das war die zweite und entscheidende Schwäche. Das zeigt wieder die Beschränktheit der ArbeiterInnenbewegung im Iran. Es gab in letzter Zeit viele Streiks im Iran, doch wo war im entscheidenden Moment die Führung? Leider versagte die sogenannte ArbeiterInnenavantgarde darin, die Bewegung zu unterstützen und rief nicht alle ArbeiterInnen dazu auf, sich ihr anzuschließen.

Ich habe den Eindruck, dass die sogenannte ArbeiterInnenavantgarde entweder aus Ex-StalinistInnen oder aus demoralisierten Elementen der älteren Generation, die unter dem Einfluss stalinistischer Ideen steht, zusammengesetzt ist. Was immer sie sind, sie verhielten sich nicht adäquat. Es gibt einen wunderbaren Artikel von Trotzki aus dem Jahr 1930, der direkt auf das Bezug nimmt, was wir im Iran jetzt auch sehen können. Er trägt den Titel „Die Spanische Revolution und die Aufgaben der Kommunisten“. Zu dieser Zeit gab es große StudentInnendemonstrationen und Trotzki bestand darauf, dass die spanischen ArbeiterInnen und die spanischen KommunistInnen diese Demonstrationen unterstützen und revolutionäre demokratische Forderungen vorbringen müssten.

Leider boykottierten die FührerInnen der ArbeiterInnenbewegung im Iran die Wahl und diese Bewegung, was der falsche Weg ist. Ein unbefristeter Generalstreik hätte dieses Regime gestürzt, besonders, wenn er von der Errichtung von Sowjets oder Shoras, um das Farsi-Wort zu benutzen, begleitet worden wäre. Die Idee des Generalstreiks lag in der Luft und sogar Moussavi machte dazu vage Andeutungen. Es wäre nur erforderlich gewesen, einen Tag dafür festzusetzen, das wäre genug gewesen. Doch diese Forderung wurde nie erhoben.

Wir strichen in den Artikeln auf unserer Website heraus, dass man die Menschen nicht mit dem Aufruf zur Demonstration auf die Straße bringt, wenn es keine Perspektiven gibt. Die Menschen gehen täglich auf die Straße und bekommen die Köpfe eingeschlagen, und es gibt keine Perspektive. Und daher war das, was geschah, unausweichlich. Ich sagte im ersten Artikel: Wenn es so weiter geht, wird es abwärts gehen. Und genau das passierte.

An der Oberfläche scheint es, als ob das Regime die Kontrolle wieder erlangt hätte, doch das ist nicht der Fall. Nichts ist gelöst und die Spaltung im Regime ist deutlich sichtbar. Besonders interessant ist das Verhalten Rafsandjanis, der einer der Hauptverbrecher in diesem Regime ist – ein sehr reicher und sehr cleverer Gangster. Jetzt ist er zur Opposition übergewechselt.

Rafsanjani hielt vor zehn Tagen in einer der größten Moscheen in Teheran eine Freitagspredigt. Das ist nichts Neues. Ahmadi-Nejad tat es auch kürzlich. Doch auf einer großen Versammlung (und das war es) würden nicht mehr als 50.000 Menschen erscheinen. Wie viele gingen zur Gebetsversammlung von Rafsanjani? Eine Million Menschen! Nun kann es sein, dass eine Million Menschen plötzlich ein brennendes Interesse am Gebet zu Allah entwickelt haben. Es ist möglich, aber ich denke nicht, dass es so war. Es war eine politische Massendemonstration. Und derselbe Gangster, dieser Rafsanjani, hielt eine sehr militante Rede in der Moschee.

Ich glaube nicht, dass er viel über Allah gesagt hat, was er sagte, war ein Aufruf zur Demokratie, er sagte, dass die Wahlen gefälscht worden waren, er sagte, dass es unzulässig ist, Gewalt gegen das iranische Volk anzuwenden und er rief nach der Freilassung jener, die verhaftet worden waren. Das ist erstaunlich. Und noch interessanter ist, dass er von den führenden Klerikern aus der Stadt Ghom, die das religiöse Hauptzentrum des Iran ist, unterstützt wurde. Ich denke, dass wenigstens vier oder fünf Großayatollahs zur Unterstützung von Rafsanjani kamen. Das heißt, dass es eine offene Spaltung an der Spitze des Regimes gibt, und es scheint, dass Khomenei die Kontrolle verliert.

Khomenei ist der Oberste Führer, nicht nur in religiösen Fragen, er ist der Oberste Führer des Staates, er kontrolliert die Armee, die Polizei, die Justiz und er wurde von Rafsanjani öffentlich herausgefordert. Noch wichtiger, in der Nacht vor dieser Versammlung wurden 24 hochrangige Armeeoffiziere verhaftet. Zwei von ihnen waren Generäle. Warum wurden sie verhaftet? Sie gingen in ihren Uniformen zu dieser Versammlung, und das war ein ernsthafter Akt der Rebellion.

Es sind also alle Bedingungen, die Lenin für eine Revolution nennt, im Iran vorhanden – bis auf eine oder genauer gesagt, eineinhalb, denn das Proletariat spielt – wieder aufgrund des Versagens der Führung - nicht die Rolle, die es spielen sollte. Lenin schrieb 1905, dass in einer Situation wie dieser das Proletariat sich selbst an die Spitze der Nation stellen muss. Das Proletariat und seine Partei müssen für die fortschrittlichsten demokratischen Forderungen kämpfen, die nicht nur die ArbeiterInnen, sondern auch die Mittelschicht, die StudentInnen, die Jugend und die Frauen betreffen.

Diese demokratischen Forderungen müssen in der Losung für einen landesweiten Generalstreik and Sowjets (Shoras) zusammengefasst werden. Wenn sie das getan hätten, wäre das Regime am Ende gewesen. Man bedenke, was das heißt. Man stelle sich die Auswirkung einer Revolution im Iran vor. Man stelle sich vor, welche Bedeutung das auf die anderen Länder in dieser Region hätte, etwa auf die Regimes in Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien – sie würden alle fallen, eines nach dem anderen. Warum sonst wären die ImperialistInnen bezüglich der Angelegenheiten im Iran so still gewesen?

Welche Form sollte die neue Regierung annehmen? Wenn es eine bolschewistische Partei gäbe (auch wenn sie nur 8000 Mitglieder hätte, wie es bei den Bolschewiki im Februar 1917 war), könnte man von einer klassischen proletarischen Revolution im Iran sprechen. Doch eine solche Partei gibt es nicht. Es ist fast sicher, dass die Iranische Revolution eine Phase bürgerlichen Parlamentarismus irgendeiner Ausprägung durchlaufen wird, wie es in Spanien nach 1931 geschehen ist. Doch unter den Bedingungen der Wirtschaftskrise wird das genauso wie 1931 in Spanien kein Rezept für eine friedliche Entwicklung sein.

Der Sturz des Regimes ist nur bis zur nächsten Krise verschoben worden, die in sechs oder zwölf Monaten oder einigen Jahren stattfinden wird. Doch sie ist unausweichlich. Und dies wird eine sehr stürmische Periode im Iran eröffnen. Wir können keine genauen Angaben über das Wesen des Regimes, das nun herrschen wird, machen. Aber ich sage, was es nicht sein wird: Es kann kein weiteres islamisch-fundamentalistisches Regime im Iran geben, nicht nach den letzten 30 Jahren. Das ist vorbei. Und daher wird die Iranische Revolution erstmals diese ganze Verrücktheit des Fundamentalismus, der im Nahen Osten herrscht, durchkreuzen.

Perspektiven und Aufgaben

Wir treten in eine revolutionäre Periode ein, die einige Jahre andauern wird, mit Höhen und Tiefen, wie in Spanien von 1930-37, doch unter diesen Bedingungen werden die Massen sehr rasch lernen. Unsere Ideen erhalten bereits beachtliches Echo im Iran und in der nächsten Zeit wird das wohl zunehmen.

Es ist klar, dass die StudentInnen ihre Schlüsse ziehen werden. Sie können nun die Begrenztheit von Moussavi und den ReformistInnen erkennen. Die Tatsache, dass die iranische Website der IMT Hunderte Male von StudentInnen angeklickt worden ist, die Fragen zu Sozialismus und Marxismus stellten, ist von enormer Bedeutung. Ich glaube, dass unsere Strömung sehr rasch auf die Ereignisse im Iran reagiert hat. Ich kann mitteilen, dass unsere Artikel noch am selben Tag auf Farsi übersetzt worden sind; sie wurden sofort verbreitet und erzeugten nach unseren Berichten großen Widerhall.

Ich konnte nur auf die herausragendsten Punkte in der Weltpolitik eingehen und konnte diese mangels Zeit nicht weiter ausführen. Zusammenfassend würde ich sagen: Lenin schrieb einst einen Artikel mit dem Titel „Brennstoffe der Weltpolitik“. GenossInnen – es gibt jetzt überall Brennstoffe und die Bedingungen für die Revolution reifen heran.

Natürlich dürfen wir nicht übertreiben: Wir stehen am Anfang. Geduld ist gefragt. Doch zwei Dinge sind nun klar: Wir können zumindest den Beginn einer Bewusstseinsveränderung bei den Massen erleben. Millionen Menschen sind für die Ideen des Marxismus in einer Weise offen, wie das bisher nicht der Fall war. Ich bin seit fast 50 Jahren in der von Ted Grant gegründeten Tendenz und habe schon große Bewegungen gesehen. Doch ich habe nie eine Situation wie diese erlebt und kann mich nicht an etwas Entsprechendes erinnern.

Der zweite Punkt betrifft die Rolle dieser Internationale. Unsere Kräfte sind noch sehr klein, wir kämpfen damit, Kerne der IMT in vielen Ländern aufzubauen, doch wir stehen am Beginn der Entwicklung. Und wir sind nicht nur BeobachterInnen, sondern aktiver Teil der Bewegung in einigen sehr wichtigen Ländern. Daher können wir bezüglich der Zukunft äußerst zuversichtlich sein, wir haben die richtigen Ideen, die wunderbar tiefgreifenden Ideen des Marxismus. Wir haben die richtigen Taktiken und Methoden und vor allem sind wir entschlossen, diese Ideen mit den Massenorganisationen der ArbeiterInnenklasse zu verknüpfen.

GenossInnen! Wir können mit absolutem Vertrauen in die Ideen des Marxismus, absolutem Vertrauen in die revolutionäre Rolle der ArbeiterInnenklasse und in uns selbst voranschreiten.

Zum Weiterlesen:
Die Krise des Kapitalismus und die Aufgaben der MarxistInnen – Teil 2
Die Krise des Kapitalismus und die Aufgaben der MarxistInnen – Teil 1

Source: Der Funke - Austria